Der Podcast zum Text:
Die Zwillbos sind zwei! Sie sind also länger nicht nur zwei Kinder an der Zahl, sie zählen jetzt auch zwei Jahre. Ich wollte ihren Geburtstag relativ entspannt angehen. Mein Unterbewusstsein muss mir dabei allerdings einen Streich gespielt haben. Denn etwa zwei Wochen vor dem Termin trudelte ein Paket mit 100 Luftballons, 30 Metern Wimpelkette und diversen anderen Partyaccessoires wie kleinen Pieksern für Kuchen und andere Spießigkeiten bei uns ein. Das hätte mir ja schon ein Zeichen sein können. Auch die Tatsache, dass wir so ganz nebenbei den engsten Kreis der Familie und eine Handvoll Freunde für ein Gartenfest einluden, hätte man als Hinweis auf die nahende Eskalation interpretieren können. Von den etwa 40 Personen hat bislang kaum jemand abgesagt – was prinzipiell eine ziemliche Freude für uns ist. Und auch ein wenig bedrohlich wirkt. Aber höchstens ein wenig. Zur Erklärung muss ich allerdings anfügen, dass sowohl der Mann als auch ich aus recht großen Familien stammen. Da erreicht man mit dem kleinsten Kreis schon mal Zusammenkünfte, die man vermutlich eigentlich behördlich genehmigen lassen müsste. Da der eigentliche Geburtstag der Zwillinge auf einen Montag fiel, steht uns die große Sause allerdings noch ins Haus. Oder besser gesagt, in den Garten. So denn dieser Sommer mit Herbst-Ambitionen mitspielt.
Der Tag, an dem sich die Zwillbo-Geburt zum zweiten Mal jähren sollte, war also zunächst einmal terminfrei. Zunächst einmal. Denn vier Tage vorher habe ich aus einer freudigen Laune heraus unsere frühere Krabbelgruppe zum Geburtstagskaffee geladen. Wir hatten einen schönen Nachmittag miteinander verbracht. Solche Ereignisse verleiten mich regelmäßig zu gesellschaftlichen Schnellschüssen in punkto Einladungen. Diese führen jedes Mal zu Treffen, bei denen sich Lautstärke und Turbulenz in nichts nachstehen. Es ist immer grandios. Und anstrengend. Aber das nur so ganz nebenbei.
Geburtstagsshirts selbst gestalten
Am Freitagabend geht mir dann plötzlich auf, dass ich irgendwann mal mental mehr oder weniger im Vorbeigehen beschlossen habe, die diesjährigen Jubiläums-Shirts selbst zu gestalten. Ohne aufzubügelnde Ziffern. Wozu hab ich schließlich eine Nähmaschine?! Dass meine Nähprofession maximal im rudimentären Bereich vor sich hin dümpelt, habe ich mit einem inneren Schulterzucken von mir gewiesen. „Das kann ja so schwer nicht sein“, posaunte die Optimistin in mir. Am Abend plane ich das ganze Unterfangen zunächst gemeinsam mit meiner besten Freundin und Zwillbo-Patentante in Personalunion. Bei drei Gläsern Weißwein. Immerhin hat mir ebendiese Freundin bereits eine Woche zuvor den kostbaren Hinweis geliefert, mir Bügelfolie zu beschaffen, die das Applizieren der Stoffzahlen vereinfacht. Rückblickend möchte ich mir gar nicht ausmalen, was geschehen wäre, wenn ich diese Folie nicht gehabt hätte. Ich hätte die Zweien vermutlich mit Kuli aufgemalt, denn es war auch so schwierig genug für einen Handarbeits-Legastheniker wie mich das Werk zu vollenden, ohne komplett den Verstand zu verlieren. Nach der bezifferten Menge Weißwein radele ich nach Hause, um noch „mal eben“ – was eigentlich immer zuverlässig darauf hinweist, dass etwas 17 Mal so lange dauern wird als ich dachte – Schablonen für die Zahlen anzufertigen und die Folie auf den zu applizierenden Stoff zu bügeln. Dank meiner Freundin denke ich immerhin daran, die Zweien spiegelverkehrt anzufertigen, damit ich sie korrekt aufnähen kann.
Im Großen und Ganzen geht mir diese Vorbereitung recht leicht von der Hand. Ich bügele Folie sowie Zahlen korrekt auf die Geburtstagsshirts auf. Gar kein Problem. Mit einer großen Portion grauburgunderischer Gelassenheit verschiebe ich die Nähaktion auf den nächsten Tag. Es kann ja schließlich nichts mit Zauberei zu tun haben, mal eben zwei Zahlen zu umsäumen! Pah! Die Information, dass aufgrund meiner Spontaneinladung und der Geburtstagsfeier bei der Tagesmutter noch drei anzurührende Schüsseln Teig auf mich warten, verdränge ich irgendwo zwischen Bügeleisen und Burgunder. Erfolgreich.
Verbummelt: Betriebsanleitung und Motivation
Eines schönen nächsten Vormittags dann finde ich mich Aug’ in Aug’ mit der Nähmaschine wieder. Kurze Neben-Episode zu dieser Nähmaschine und mir: Sie befand sich etwa drei Jahre lang in der textilgestalterischen Warteschleife – sprich in einem Wandschrank auf dem Dachboden – bevor ich sie überhaupt einmal ihrer Originalverpackung enthoben habe. Ich nähte damit vier Papierwimpelketten anlässlich unserer Hochzeit, dann verbummelte ich zeitgleich Betriebsanleitung und Motivation. Nach Jahren des Darbens bäumte sich im vergangenen Sommer dann die Idee zu nähen wieder auf, und ich absolvierte einen Crash-Kurs im Stoffladen. Bei dem funkten meine Synapsen im Leuchtfeuer, weil sie nach der Zwillingsschwangerschaft und dem ersten Babyjahr plötzlich neue Impulse bekamen. Als die Motivation jedoch merkte, dass im Alltag mit Kleinkindern neben der Pflicht nicht viel Zeit für die Kür bleibt, hat sie sich wieder im Wandschrank zur Ruhe gebettet. Bis ich ganz spontan vor ein paar Monaten mal zwei Mützen genäht habe, die zwar äußerlich zusammenhalten, deren Nähte aber aussehen, als hätte sie ein Mensch mit sehr ausgeprägter Sehschwäche und bewegungseingeschränkten Händen angefertigt. Jetzt also die Applikationen. Im Zickzack-Stich. Einfach drumherum. „Gar keine große Schwierigkeit“, hat meine Freundin gesagt, die bereits ähnlich viel Kleidung selbst produziert hat wie eine kleine Textilfabrik in Bangladesh.
Ich sitze vor der Maschine wie ein Fallschirmspringer in der offenen Flugzeugluke. Mir schlottern die Knie. Ich mache es trotzdem. Mist. Erstmal muss ich das Garn austauschen, ich lasse mich ja nicht lumpen und umsäume farblich passend! Während ich mit erhöhtem Blutdruck versuche, den Faden ins Nadelöhr zu fädeln, frage ich mich, ob Nähmaschinen-Hersteller die Öffnungen absichtlich so mikroskopisch klein anfertigen, um Grobmotoriker wie mich von vornherein auszuschließen. Todesmutig lasse ich meinen Fuß auf das Pedal sinken, friemele den Stoff unter die Maschine und lege los. „Puh, geht ja wie von selbst!“ denke ich mir und schiebe das Shirt mit zittrigen Händen weiter. Hoppla. Irgendwie ist es jetzt ein bisschen eierig. Was soll’s, drehe ich halt noch eine Runde, bin ja jetzt Profi. Hm. Warum hängt denn das jetzt das fest? Komisch, näht die Maschine jetzt auf der Stelle? Was ist denn das für ein Knubbel? Oh, ein Loch… Mir bricht der Schweiß aus. Ich schaue mir das Resultat an und hoffe, dass die Zwillbos mein Werk noch nicht all zu bewusst wahrnehmen. Möglicherweise würden sie sonst denken, ich hätte sie nicht richtig lieb.
Ich lege das Auftakt-Shirt erstmal zur Seite und nehme mir das nächste vor. Entweder muss ich jetzt meinen niedrigen Standard halten oder das erste noch schlimmer verbessern. Schließlich müssen beide Kleidungsstücke ganz basisdemokratisch gleich schrecklich aussehen. So will es das Zwillingsmama-Gesetz. Auch wenn ich zunächst den Eindruck habe, nun mit der Prozedur vertraut zu sein, muss ich mich beim zweiten Shirt nicht sonderlich anstrengen, um es ähnlich dilettantisch zu gestalten – es geht quasi wie von selbst. Glücklicherweise reißt auch geschätzte 17 Mal der Faden, so dass ich jede Menge Gelegenheiten habe, mein Einfädel-Handycap zu verbessern. Ich tue das mit einer solchen Freude, dass ich den Gefühlsrausch gerne damit kompensieren würde, die Maschine aus dem Dachfenster zu werfen. Einmal mehr bin ich froh, keine Drillinge bekommen zu haben.
Holdes Glück
Ich quäle mich also um die zweite Zwei, als mir auf den letzten Zentimetern der Unterfaden ausgeht. „Kerlokiste, ist denn ein solcher Unterfaden so fundamental wichtig?!“, frage ich mich. Ja. Ist er. Merke ich schnell. Das Schicksal meint es gut mit mir, ich finde in einer Kiste noch eine gefüllte Garnspule. Ich wage nämlich ernsthaft zu bezweifeln, dass es mir mit weniger als 14 YouTube-Videos und 9 Nervenzusammenbrüchen gelungen wäre, eigenständig Garn auf die Rolle zu schaffen. Ich muss auch nur noch drei Mal das Garn neu einfädelnd, schon ist das zweite Shirt fertig.
Ich verschiebe das Stopfen des ersten Nähunfalls auf den Abend, da ich befürchte, bei weiteren Fehltritten vor Zorn den Nähtisch anzuzünden. Ich hätte vielleicht rasch eine halbe Flasche Grauburgunder in mich hinein gießen sollen, dann wäre mir die Aktion eventuell leichter von der Hand gegangen. Ich muss aber leider noch Auto fahren. Zum Glück beherrsche ich das etwas besser als die Bedienung der Nähmaschine. Faschingskostüme werde ich den Kindern aber wohl trotzdem nur dann selber nähen, wenn sie verdammt unartig waren!
Ich näh grundsätzlich gerne und früher tat ich das auch gelegentlich – Aber das Umranden macht mich echt auch immer fertig ? Näht auf der Stelle, Knubbel, Loch *aaargh* Kenn ich bestens!
Ich wünsche Euch ein ganz schönes und fröhliches Fest bei eitel Sonnenschein!