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Obwohl es jetzt schon bald anderthalb Jahre her ist, seitdem ich abgestillt habe, beschäftigt mich dieses Thema zuweilen immer noch. Aus unterschiedlichen Gründen. Wann immer ich eine Einlingsmama [Verzeihung, dieser Begriff war mir selbst völlig fremd, bevor ich aufgrund der Spendierfreudigkeit meiner Eierstöcke in die Mehrlingsnische katapultiert wurde] sehe, die ihr Kleinkind stillt, werde ich nachdenklich.
Fantasie trifft Wirklichkeit
Ich habe einige Freundinnen und Bekannte, die bereits deutlich über das erste Lebensjahr ihres Kindes hinaus stillen. Und das finde ich gut. Das hätte ich mir früher niemals ausgemalt. Allerdings liegen zwischen dem, was ich mir so ausmale und der Realität, die mich all zu gerne mit dem Vorschlaghammer sanft tätschelt, oft Schluchten, die so tief sind wie der Marianengraben.
Anno kinderlos fand ich Stillen generell ziemlich unvorstellbar. Der Gedanke, meine Brüste ohne Wenn und Aber mit einem anderen Menschen teilen zu sollen, befremdete mich. Doch irgendwann, bereits bevor ich mit Zwillingen schwanger war, rutschte auch ich rüber ins #teamstillen. Ich war und bin schwer dafür. Genauso wie ich schwer dafür war und bin, dass die Entscheidung über Stillen oder Nicht-Stillen einzig und allein bei der Mutter liegt. Und zwar ohne Kommentarfunktion. Aber das akzeptieren viele selbsternannte Stillberater leider nicht.
Ich wollte also stillen und ich stillte. Wer sich jetzt noch fragt, „Kann man Zwillinge stillen?“, dem sage ich klipp und klar: Ja! Meine Erfahrung mit dem Stillen der Doppelkinder glich rückblickend jedoch manchmal einem Drama. In diversen Akten. Als ich kürzlich noch einmal meinen allerersten Beitrag zum Thema „Zwillinge stillen“ las, musste ich ziemlich schmunzeln. Er erschien, als die Jungs etwa drei Monate alt waren. Die allergrößten Klippen auf dem Gebiet der Muttermilchversorgung hatte ich damals bereits umschifft. Und ich kündigte an, den Kindern KEINESFALLS länger als sechs Monate die Brust geben zu wollen.
Anstrengende Tage und Nächte
Interessant. Ich war wohl ganz schön müde und ausgelaugt. Oder vielmehr – ausgesaugt. Immerhin hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits mindestens im Zwei-Stunden-Takt – an manchen Tagen und in manchen Nächten öfter – beide Kinder gleichzeitig gestillt. Gepaart mit der Schwangerschaft – wir erinnern uns, die Zwillbos blieben gesund und munter bis zum Ende der 38. Schwangerschaftswoche in meinem Bauch – war mein Körper zu dem Zeitpunkt schon ganz schön beansprucht. Oder man könnte auch sagen: Ich war ganz schön durch.
Der Alltag mit zwei Babys fordert eben seinen körperlichen Tribut. Insbesondere das erste Jahr mit Zwillingen lässt sich diesbezüglich nicht lumpen. Doch es hatte mich gepackt – Stillen war mir total wichtig geworden. Vielleicht, weil ich erlebt habe, wie viel es diesen beiden, zwar reif geborenen, doch trotzdem in meinen Augen winzigen Menschen gegeben hat. Weil es uns verbunden hat.
Weil es ein Privileg und ein Faszinosum zugleich war, zu erleben, dass mein Körper GANZ ALLEIN so viel Nahrung liefert, dass die Jungs binnen weniger Lebenswochen ihr Geburtsgewicht verdoppeln konnten. Ich produzierte Sahne anstatt Muttermilch. Zumindest vermutete unsere Hebamme das zuweilen. Ich genoss die Unabhängigkeit von Milchpulver, Babyflaschen und Thermoskannen mit heißem Wasser. Allerdings hatte ich, wann immer es irgendwie möglich war, mein Zwillingsstillkissen im Gepäck. Na gut, das musste ich immerhin nicht nach jeder Nahrungsaufnahme reinigen.
Beikost für die Zwillinge
Als die Zwillbos fünf Monate alt waren, bekamen sie Bock auf „feste“ Nahrung. So fest wie Brei halt ist. Mir ging das zu schnell. Ich hatte mir die Beikosteinführung doch mit frühestens sechs Monaten ausgemalt! Ey! Mit fünfeinhalb Monaten hatten sie mich weichgeglotzt. Ich gab nach und fütterte meinen Babys den ersten Brei. Ich war aufgeregter als vor meiner mündlichen Abi-Prüfung.
Ungefähr zur gleichen Zeit ging die Meinung meiner Söhne über den Konsum von Milch aus der mütterlichen Brust ziemlich weit auseinander. Vielleicht hat es sich aber auch bereits früher abgezeichnet. Immer öfter machte der Erstgeborene beim Stillen einen riesigen Aufstand. Der Gegenstand seiner Beschwerde? Ich werde es vielleicht nie mit Sicherheit wissen. Möglicherweise kam manchmal zu viel. Oder zu wenig. Oder was auch immer. Das Feature „sprachliche Ausdrucksmöglichkeit“ wird Kindern ja erst bei einem sehr späten Update bereitgestellt.
Bitte keinen Stress beim Stillen
Weil der Stress beim Tandemstillen für alle drei Beteiligten immer größer wurde, bekam Zwillbo Eins immer öfter die Flasche. Zähneknirschend. Also, ich knirschte mit meinen Zähnen, er hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend Kauwerkzeug dazu. Doch fand er die Flasche prima. „Verräter“, dachte ich mir. Doch was sollte ich das Kind zu Stress an der Brust zwingen?
Ich versuchte es noch eine zeitlang. Ich stillte in der Abgeschiedenheit eines dunklen Zimmers, ich stillte die Kinder gemeinsam, ich stillte die Kinder einzeln, ich stillte links, ich stillte rechts, ich stillte, stillte, stillte. Dann gab ich nach. Und stillte fortan nur noch einen Zwilling, während ich für den anderen weiter abpumpte oder er hin und wieder Pre-Nahrung bekam. Zwillbo Zwei war weiterhin ein großer Fan der direkt aus der Brust servierten Muttermilch, das zeigte er mir vor allem nachts. Gerne auch stündlich oder in kürzeren Abständen.
Ich wurde immer erschöpfter. Ich haderte. Ich wollte noch nicht abstillen. Einerseits. Aber ich wollte endlich mal wieder länger als zwei Stunden am Stück schlafen und mich körperlich besser fühlen. Andererseits. Ich überlegte, beobachtete, befragte meine Gefühle – und machte erst einmal so weiter: Stillen, Abpumpen, Fläschchen geben, hin und wieder auf Milchpulver zurückgreifen. Glücklicherweise waren unsere Kinder nie wählerisch. Egal, welche Flasche oder welcher Schnuller – sie haben immer alles mit Kusshand genommen.
Körper passt Milchmenge an
Als die Jungs knapp sieben Monate alt waren, war ich so weit. Ich war mal wieder erkältet, ich war müde, ich war mürbe. Ich hatte genug Tränen vergossen und die Hoffnung auf etwas mehr Schlaf war das letzte Zünglein an der Waage. Mein Körper hatte unterdessen die Milchproduktion bereits in Eigenregie zurückgefahren. Selbst wenn ich pumpte, was das Zeug hielt – meine Brüste merkten ganz genau, ob da ein zweites Kind ihre Dienste einfordert oder das zitronengelbe Milchmaschinchen.
Das Herz ward mir zwar etwas schwer, doch das eigentliche Abstillen ging ziemlich unspektakulär von statten – meinem Körper war das Ganze wohl sehr recht. Ich stillte ein paar Tage lang nur noch morgens und abends, und pumpte nachts und zwischendurch das „Überdruckgefühl“ ab, um einen Milchstau zu vermeiden. Das ganze Procedere hat keine 14 Tage gedauert. Ich war selbst ein wenig verblüfft. Und ein bisschen beleidigt, dass mein Körper nicht entschlossener protestierte.
Allmählich schliefen beide Zwillinge etwas besser
Doch im Umkehrschluss wurde mir bewusst, wie gut ihm die Entlastung tat. Die Rechnung von durchschlafenden Kindern ging allerdings auch mit Flaschenmilch lange Zeit noch nicht auf. Doch allmählich wurden die Schlafphasen länger. Ganz allmählich.
Aus heutiger Sicht hätte ich die Kinder gerne noch länger gestillt. Doch es war eben wie es war. Und es ging nicht nur um mich, sondern darum, was für uns alle zu dem Zeitpunkt das Beste war. Und demnach haben wir entschieden und gehandelt. Das ist es doch, was Kinder uns von Anfang an und immer wieder aufs Neue lehren: flexibel bleiben!