Freitagvormittag. Ich stehe mit einem Paar blauer Kindersocken und einigen Boxershorts des Mannes vor dem Wäschetrockner. Die männliche Unterwäsche ist nicht mein Begehr, sie ist Beifang. Die Kindersocken sind überlebensnotwenig. Vielleicht nicht für mich. Aber einem meiner Söhne bedeuten sie gerade die Welt. Und deswegen stehe ich hier.
Ich hab da gerade so ein kleines Thema. Mit mir selbst, aber irgendwie auch mit den Kindern. Es trägt den ungloriösen Titel „Versprechen halten“. Ich möchte Zusagen einhalten, die ich mir gebe. Und den Kindern. Aber vielleicht ausnahmsweise erstmal zu mir – tun wir einfach so, als säßen wir in einem Flugzeug mit Druckabfall in der Kabine und schnappen wir uns unsere eigene Atemmaske, bevor wir anderen helfen! Die sagen das während der Sicherheitshinweise so lapidar, aber ich würde meine Schwangerschaftsstreifen darauf verwetten, dass diese „Ich zuerst“-Geschichte die Dauerbaustelle des Großteils aller Mütter weltweit ist.
Oder nicht? Bist Du eine Ausnahme, die sich in gesundem und kraftgebenden Maß an erster Stelle setzt? Dann teile bitte sofort Deine Strategien mit uns, schreib mir, sprich mit uns im Podcast darüber – und das ist mein voller Ernst. Denn viel zu selten fangen wir Frauen bei uns selber an, im Guten wie im Schlechten.
Später oder nie?
Am Wochenende gehe ich in die Sauna. Heute Abend mache ich Sport. Gleich koche ich mir einen Tee. Nachher gehe ich in die Badewanne. Mal abgesehen davon, dass mir gerade meine Neigung auffällt, Auszeiten und Aktivitäten für mich auf später zu verschieben*, bin ich durchaus gut darin, meine Bedürfnisse wahrzunehmen und mit einer Idee zu füllen. Das war es dann aber leider oftmals. Denn am Wochenende passt es dann wieder irgendwie nicht so richtig. Heute Abend arbeite ich noch eben das weg, was tagsüber liegen geblieben ist (ich war mit Sicherheit nicht die, die liegengeblieben ist). Gleich habe ich vergessen mir einen Tee zu kochen und nachher hab ich dann doch lieber die Küche aufgeräumt.
Kennst Du das? Ich kann es mir fast denken… Es gibt zwei Punkte, die an dieser Geschichte blöd laufen.
Erstens: Ich cancele permanent Möglichkeiten für mich, Kraft zu schöpfen. Nicht gut. Die Rechnung geht nicht auf, weil der große Hänger irgendwann in Form einer fetten Grippe oder schlimmer innerlicher Abgeschlagenheit kommt und viel mehr Zeit braucht, um ausgestanden zu werden. Oder ausgelegen.

Zweitens: Was empfinde ich für Menschen, die ständig ihre Versprechen mir gegenüber brechen? Die unzuverlässig sind und keine Zusagen einhalten? Sie enttäuschen mich und sie verlieren meinen Respekt. Autsch. In meinem Hals macht sich jetzt gerade ein Kloß und in meinem Bauch ein mieses Gefühl breit. So jemand bin ich auch für mich, wenn ich mich übergehe? Das ist nicht gerade eine Vitaminspritze für mein Selbstwertgefühl, für meine innere Stärke und meine Zuversicht. Denn wie weit kann ich mir selbst denn überhaupt vertrauen, wenn ich die kleinsten Abmachungen mit mir nicht einhalten kann und mein Unterbewusstsein immer wieder enttäusche?
Ich bin fest davon überzeugt, dass es was mit uns macht, wenn wir uns selbst gegenüber unzuverlässig sind. Oder andersherum: Ich bin mir sicher, dass es uns enorm stärkt, wenn wir uns selbst gegenüber verbindlich sind. Ich glaube, dass wir dann ein Stückchen aufrechter durchs Leben gehen. Dass wir fester verwurzelt und kraftvoller sind. Wir nehmen uns selbst viel ernster. Haben mehr Selbstachtung. Und das ist ziemlich gesund.
Zurück zu den Strümpfen
Doch jetzt zurück zu den blauen Socken. Sie sind gerade das liebste Kleidungsstück meines Sohnes. Sie bedeuten ihm alles. Und wer bin ich, darüber zu urteilen? Doch ab und zu müssen sie nun einmal aus hygienischen Gründen dem Waschkreislauf in diesem Haus zugeführt werden. Heute morgen lagen sie noch im Korb mit der dreckigen Wäsche. Krise im Schlafzimmer. Ich nahm den tränenüberströmten Alternativstrumpf-Verweigerer an die Hand und ging mit ihm ins Badezimmer zur Wäschetonne. „Guck mal, siehst Du wie schmutzig die sind?“, fragte ich ihn. Ich hatte Glück, der andere Zwilling legt keinen gesteigerten Wert auf Sauberkeit, er hätte sie wohl auch noch mal so angezogen. Doch dieses Kind hier an meiner Seite musste lachen, weil es selbst sah, was alles an dem Fußkleid klebte.
Konsensfähiger Vorschlag
„Pass auf“, sagte ich, „wir stecken die jetzt gemeinsam in die Maschine und heute Mittag, wenn ich Dich abhole, bringe ich Dir die sauberen und trockenen Socken mit in die Kita!“ Mein Vorschlag war offenbar konsensfähig und gemeinsam beluden wir die Trommel.

Jetzt pappt ein grell-pinkfarbener Klebezettel an unserer Ausgangstür: „SOCKEN!!!!“, steht darauf. Denn vielleicht erinnert sich mein Sohn nicht an unseren Deal, wenn ich ihn gleich abhole. Vielleicht erinnert er sich auch im Laufe des Nachmittags nicht mehr an unsere Absprache – obwohl ich das ernsthaft zu bezweifeln wage. Aber ich bin davon überzeugt, dass unsere Kinder unterbewusst genau abspeichern, welche Zusagen wir ihnen machen und ob wir uns daran halten. Sie lernen davon so unglaublich viel. Über die Menschen, mit denen sie zusammenleben, und darüber, was es heißt, verbindlich zu sein. Ich lerne da jetzt mal mit.
*Wohlwissend, dass sich nicht alle dieser Aufzählungen immer sofort umsetzen lassen.
Genau so denke ich auch darüber. So gehe ich z. B. immer noch mal zurück ins Kinderzimmer, wenn ich versprochen habe, in 5 Minuten noch mal gucken zu gehen. Auch wenn es dann schon still sein sollte im Zwillingszimmer. Mein Mann fragt mich dann manchmal verwundert, warum ich das mache. Denn meistens müssen die Kiddies dann doch noch schnell tausend Sachen erzählen, die sie in den letzten 5 Minuten gedacht haben. Aber egal. Versprochen ist versprochen. Und an den Versprechen mir selbst gegenüber sollte ich dringend arbeiten, da sind wir Mütter wahrscheinlich alle gleich. Danke für den Denkanstoß!
Danke Dir, liebe Anke! Ich bin mir total sicher, unsere Kinder verinnerlichen unser Verhalten!!! …und mir gegenüber habe ich auch noch Spielraum. Aber zu wissen, wie sehr ich mich damit stärken kann, motiviert mich sehr! Ganz liebe Grüße!