Jede von uns hat einen Rucksack, den sie mit sich herumträgt. Ich meine damit nicht gegebenenfalls das schicke Modell an gut transportabler Wickeltasche, die du dir auf den Rücken schnallst, um möglichst uneingeschränkt hinter deinem Nachkömmling her zu sprinten. Meine Güte – was schleppen wir als Mütter alles immer mit uns herum?! Stets gut gerüstet gegen Hunger, Durst, Flutwellen und plötzlichen Wintereinbruch…
Ein Rucksack voller schwerer Andenken aus der Vergangenheit
Wenn ich von diesem Rucksack spreche, meine ich den mentalen Ballast, den wir alle bei jedem unserer Schritte bei uns tragen. Begebenheiten, Erfahrungen, Bitterkeit und Verärgerung, die wir uns irgendwann aufgeladen haben – die uns vielleicht irgendwann aufgeladen wurde – die wir tief in uns vergraben und nicht losgelassen haben.
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Streitigkeiten mit unseren Eltern, das Gefühl von jemandem, den wir lieben, übergangen worden zu sein, der Schmerz verlassen worden, belogen oder ungerecht behandelt worden zu sein. Wir alle machen im Laufe unseres Lebens irgendwann schmerzhafte Erfahrungen. Wir alle werden verletzt – und wir alle verletzen, aber das ist noch einmal eine andere Geschichte. Wir tragen all das oft noch jahrzehntelang mit uns herum.
Oft sind wir schon so lange daran gewöhnt, dass wir die schweren Andenken aus der Vergangenheit gar nicht mehr spüren, die auf unseren Schultern lasten. Aber wir laufen darunter gebeugt. Sie drücken uns aufs Kreuz, nehmen uns Kraft und berauben uns unserer Aufrichtigkeit und Bewegungsfreiheit. Dabei brauchen wir als Mamas doch alle Kraft und Energie, die wir aufbringen können.
Die ganze Schlepperei beinhaltet zwei Hauptprobleme
Es heißt nicht grundlos, dass wir anderen etwas nachtragen: Wir tragen und schleppen und mühen uns ab mit einem alten Gefühl, das wir nicht gehen lassen können oder wollen. Den Menschen, mit dem das Ganze in Zusammenhang steht, muss das längst nicht mehr tangieren. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit läuft der in diesem Punkt unbeschwert durchs Leben, während wir Muskelkrämpfe bekommen, weil wir permanent mit dieser alten Last herumlaufen.
Stell dir mal vor, du würdest überall einen riesigen Rucksack oder Koffer mit hin schlören, wie unpraktisch und sperrig! Du kannst dir aber auch ausmalen, dass ständig ein großer, schwermütiger Elefant an dir dranhängt, den du mitziehen musst. Genau so ist es, wenn es uns nicht gelingt, alte Vorwürfe und Verletzungen loszulassen. WIR mühen uns damit ab.
Ohne, dass es uns bewusst ist, haben wir uns dauerhaft eine riesengroße Anstrengung aufgeladen – oder aufladen lassen. Denn nicht selten schleppen wir heute noch Konflikte, Ängste und Glaubenssätze mit uns herum, die nicht einmal unsere eigenen, sondern das Erbe unserer Herkunftsfamilie sind, das seit Generationen weitergegeben wird. Wir sind schwach. Wir sind Mittelmaß. Wir werden betrogen. Wir dürfen keine Angst haben. Wir…
Wir schleppen uns also tagein, tagaus dumm und dusselig. Und wenn es ganz dicke kommt, geben wir das Ganze weiter. Geben wir Missmut, Misstrauen, Wut und Angst weiter. An unsere Kinder, die jeden Tag von uns lernen, ohne dass es dafür vieler Worte bedarf. Oder überhaupt Worte. Wir distanzieren und von Menschen oder lassen erst gar keine echte Nähe zu.
Oder wir vergiften uns und andere durch unsere Gedanken, durch Dinge, die wir sagen. Zu uns und zu anderen. Immer, wenn wir jemand anderem gedanklich in die Suppe spucken, macht das auch gleichzeitig etwas mit uns selbst. Das alles ist keine Einbahnstraße. Bin ich perfekt darin, es anders zu machen? Nie etwas Schlechtes über einen anderen Menschen zu denken oder zu sagen? Bei Weitem nicht! Aber ich spüre immer deutlicher, dass es auch etwas mit mir macht, wenn ich fiese Dinge über andere sage.
Was können wir dagegen tun?
Aber was können wir tun mit diesem Rucksack und diesem Gift, das wir manchmal unbewusst verbreiten? Wir können uns dessen erstmal bewusst werden. Anerkennen, dass all das da ist und wir es herumschleppen und vielleicht weitergeben. Innerlich das Licht anmachen.
Wir können mal einen vorsichtigen Blick riskieren, was so drin steckt in unserem inneren Gepäck, und uns fragen, ob wir das wirklich noch mitschleppen möchten. Ob wir es vielleicht gerade noch brauchen.
Wir schicken den Elefanten in die Freiheit
Und wenn nicht, dann können wir uns entscheiden, es auszupacken. Den Rucksack abzustellen. Den Koffer stehen zu lassen und den Elefanten in die Freiheit zu schicken. Ohne Elefanten bekommt man ohnehin viel unproblematischer einen Sitzplatz im Bus. Vielleicht müssen wir das ein paar Mal wiederholen. Uns daran erinnern, dass wir das nicht mehr wollen und brauchen.
Vielleicht müssen wir über das Erfahrene noch einmal laut wüten, auf einen alten Karton eintreten oder einen zornigen Brief schreiben, den wir danach in tausend Stücke reißen. Aber dann dürfen wir den Ballast abwerfen. Wir müssen nicht mit uns tragen, was andere uns aufgeladen haben.

Versteh mich nicht falsch, es geht dabei nicht darum, Konflikte oder Erlebnisse zu bagatellisieren. Zu sagen, dass alles okay ist und war. Ja und Amen immerdar. Nein. Es geht darum, dass wir selbst entscheiden können und dürfen, was wir wie weit mit uns herumtragen. Auch wenn loslassen oft ziemliche Arbeit bedeutet.
Aber die lohnt sich. Für unser eigenes Gefühl. Und indirekt auch für das unserer Kinder. Weil wir alle Kraft und Offenheit und Liebensfähigkeit brauchen, die wir bekommen können. Weil wir nur so frei und die Frau und Mama sein können, die wir sein möchten. Wenn wir selbst bestimmen, was wir mit uns herumtragen.
PS: Es gibt auch zu diesem Beitrag eine Podcast-Episode, die über den reinen Text hinausgeht, die das Thema vertieft und auch aus meinem persönlichen Blickwinkel beleuchtet.