Wenn ich in meinem Leben nur halb so viel Energie investiert hätte, um mich selbst zu loben und zu feiern, wie ich in Selbstkritik und -zweifel gesteckt habe, dann würde ich wohl viel öfter hoch erhobenen Hauptes durch die Welt spazieren. Und zwar nicht vor Hochmut. Und da sind wir schon mitten im Thema.
JETZT DEN PODCAST ZUM THEMA ANHÖREN:
Hochmut kommt vor dem Fall. Eigenlob stinkt. Bescheidenheit ist eine Tugend. Vielleicht schießen uns nicht wortwörtlich diese Sätze durch den Kopf. Vielleicht geschieht es nicht bewusst. Doch sind wohl die meisten von uns darauf geprägt, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Kleine Brötchen zu backen, wenn es darum geht, Erfolge zu feiern – kleine oder große. Was überhaupt als Erfolg gilt und wie groß oder klein dieser ist, das ist nochmal eine ganz andere Geschichte. Aber so viel sei gesagt: Das kannst eigentlich einzig und allein du bestimmen.
Unser Gehirn konzentriert sich auf Defizite
Sicher, niemand mag großkotzige Angeber. Überhebliche Gernegroße. Doch warum fällt es uns so schwer, uns für uns selbst zu freuen und anzuerkennen, was wir tagtäglich erreichen? Das liegt zum einen an unserem Gehirn, das sich an Defiziten orientiert, um diese auszumerzen. Doch liegt das auch an unserer Gesellschaft, an unserem Bildungssystem etwa, das immer noch ziemlich darauf ausgerichtet ist, Fehler hervorzuheben, anstatt Stärken und Gelungenes sichtbar zu machen. Zudem ist unsere Gesellschaft eben eher auf Bescheidenheit aus.
Doch das, was wir im Alltag daraus machen, ist kraftraubend und contraproduktiv. Wir machen uns zwar jeden kleinen Pups ordentlich runter, sind aber oft kaum in der Lage, uns selbst wertzuschätzen. Ein konkretes Beispiel? Ich selbst. In der vergangenen Woche war ich zum ersten Mal morgens allein mit Zwillingen und Baby. Ich war zuvor bereits mit allen drei Kindern allein, etwa in den Kitaferien über Weihnachten, als der Mann arbeiten musste. Aber da hatten wir nicht das Ziel, bis spätestens 9 Uhr halbwegs gewaschen und angezogen irgendwo zu erscheinen.
Und dann mosert der innere Kritiker los
Als ich nach dem ersten erfolgreich überstandenen Morgen die Kita-Tür durchschritt, durchflutete mich ein Triumphgefühl. Nur um kurz darauf eine Stimme in meinem Kopf zu vernehmen: „Das ist doch ganz normal, andere Frauen machen das auch ständig und jeden Tag und überhaupt…“ Moser, nörgeln, motz. Ich wollte innerlich schon fast automatisch klein beigeben, als mir bewusst wurde, was ich da gerade im Begriff bin zu tun: Mich kleinmachen. Mir Kraft wegnehmen. Mir selbst Anerkennung und Wertschätzung vorenthalten. Anerkennung und Wertschätzung, die ich verdient habe. Einfach nur weil ich bin.
Wie oft sehnen wir uns danach, dass andere würdigen, was wir leisten. Wenn wir Berge von Wäsche waschen, bis die Trommel qualmt. Wenn wir Waffeln backen, neue Gummistiefel besorgen, Brote schmieren und von früh bis spät Tränen trocknen, Streit schlichten und Lösungen suchen. Doch würdigen wir es selbst kaum. Und machen uns damit nicht nur abhängig von der Anerkennung Dritter. Wir sind auch blind und taub dafür.
Wertschätzung beginnt bei uns selbst
Wertschätzung und Anerkennung beginnt bei uns selbst. Wir können sie üben. In den kleinen Dingen des Alltags. Auch wenn es sich zunächst ungewohnt und komisch anfühlt. Es ist Übungssache. Und keine Angst: Niemand wird davon selbstverliebt oder überheblich. Man läuft höchstens Gefahr, kraftvoller, glücklicher und zufriedener zu werden. Aber ich denke, das Risiko können wir in Kauf nehmen. Also: Klopfen wir uns doch selbst einfach mal tagtäglich auf die Schultern. Wir sind großartig!