Typisch Junge, typisch Mädchen – wir brauchen starke Kinder

Ich bin gerne Jungsmama. Ich liebe es! Wenn ich heute in mein Herz blicke, würde ich sagen, dass ich mir immer Söhne gewünscht habe. Doch ich weiß auch, dass wir Menschen wahre Großmeister des Selbstbetrugs sind. Im Grunde habe ich mir Kinder gewünscht. Egal, welchen Geschlechts.

Mit Hingabe Nägel lackiert

Als ich selbst noch nicht Mama war, aber spürte, dass ich es nun werden möchte, habe ich stundenlang in Hingabe die Fingernägel meiner Nichten lackiert. Haare gekämmt. Zöpfe geflochten. Ich hatte nur Nichten und machte Nichtentantenkram.

Meine beste Freundin ist Jungsmama. Drei Kerle. Zwischen sanftmütig und wild ist alles dabei. Auch das mochte ich immer. Ich selbst bin zweitgeborene Tochter von dreien. Und dann haben wir noch einen Bruder, der als Letztgeborener und einziger männlicher Spross irgendwie ein anderes Rennen fährt als wir.

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Ich freue mich, dass Nummer 3 wieder ein Junge ist. Weil das zu uns passt. Weil ich die vergangenen Jahre als Mama von Jungs großartig fand. Großartig laut und wild und wunderbar. Es ist mein Leben und meine Welt. Mit Töchtern fände ich sie vermutlich ebenso gut. Doch ich vermisse sie nicht.

Ich mag keine Pauschalisierungen. Keine Schubladen und keine Klischees. Und doch brauchen wir Menschen sie irgendwie. Weil sie uns helfen, eine Welt und ein Leben zu sortieren und zu kategorisieren, dass in seiner Ganzheit so unbegreiflich ist, dass es uns manchmal schier den Verstand raubt. Unser Gehirn braucht Kategorien, um sich zurechtzufinden. Die Unterscheidung zwischen Jungen und Mädchen, zwischen männlich und weiblich ist eine der ersten Typisierungen, zu denen Kinder fähig sind.

Nuancen machen die Welt komplett

Ich mag kein Schwarz-Weiß-Denken: Jungs sind so und Mädchen sind so. Weil dazwischen all die wunderbaren Nuancen verloren gehen, die unsere Welt komplett machen. Doch beobachte und erlebe ich immer wieder Verhaltensweisen, die tendenziell eher Jungen zeigen und solche, die eher Mädchen zeigen. Zudem haben viele Jungen andere Herausforderungen als viele Mädchen. Nicht alle. Viele.

Typisch Junge? Typisch Mädchen?

Wenn ich meine Söhne von der Kita abhole und alle Kinder draußen im Hof sind, sitzen um den Mal- und Basteltisch im Schatten unter der großen Kastanie immer größtenteils Mädchen. Diejenigen Kinder, die auf Fahrzeugen durch die Gegend sausen und Fußball spielen sind Jungen. Überwiegend. Nicht nur. Aber es sind viele.

Viel Energie, die raus muss

Ich erlebe meine Söhne als sehr körperlich. Mit hoher Energie, die raus muss. Balgen, Toben, Jagen, Klettern – ein paar Mal am Tag muss es schnell und doll und laut werden, sonst fliegt uns das Dach weg. Sie raufen, treten und schubsen sich. Konflikte werden kurz und heftig ausgetragen. Es rummst einmal ordentlich und noch während ich auf Knien zwischen beiden versuche, Gefühle zu spiegeln, das Geschehene zu reflektieren und zu begleiten, klopfen die Beiden einander meist schon wieder gegenseitig auf die Schulter und ziehen einheitlich von dannen, eine Mutter mit einem riesigen Fragezeichen im Kopf hinterlassend.

Bei Mädchen beobachte ich meist eher eine psychologische Art der Kriegsführung. Worte. Blicke. Nuancen in der Stimmfarbe. Meist. Nicht immer.

Wie sind Jungs denn nun?

Jungen sind so, Mädchen sind so. Hm. Wie denn nun? Und vor allem warum? Meine Söhne lieben Bagger, Polizeiautos, Feuerwehren und Dinos. Genau wie Glitzer, lackierte Fingernägel, pinkfarbenen Kram und Einhörner. Noch wählen sie nach ihrem Gefühl. Nicht nach einer Norm, die ihnen diktiert wird. Doch von wem?

Allmählich ändert sich das. Sie sprechen von “Jungensachen” und “Mädchensachen”. Meinen damit in erster Linie Spielzeuge. Der Einfluss kommt von?! Anderen Kindern. Kindern, die versuchen sich in einer unüberschaubaren Welt zurechtzufinden. Einer Welt, die leider oft mit Gender Marketing antwortet.

Wie groß ist der elterliche Einfluss?

Gleichberechtigung, Gender Mainstreaming, Klischees. Es streiten sich die Geister. Sind Mädchen wie sie oftmals sind, weil es irgendwo in ihrem Chromosomensatz so abgespeichert ist? Oder beeinflussen (wir) Eltern sie mehr oder weniger unbewusst? Rufen sie eher zurück, wenn sie sich entfernen, lassen sie weniger körperlich sein, gestehen ihnen von Baby an nicht die gleichen Dinge zu, die wir Jungen zugestehen?

Über all das gibt es spannende Untersuchungen, viele davon fassen beispielsweise die Autoren der Rosa-hellblau-Falle auf, einem Buch, das mich dazu brachte, zu reflektieren, wie viel wir unbewusst selbst lenken. Zu welchem Schluss ich für mich gekommen bin, dazu gleich. Doch was das Buch ebenfalls auffasst, ist das Gender Marketing, das seit einigen Jahren schon nahezu groteske Züge aufweist und uns alle subtil beeinflusst.

Gender Marketing – ich möchte brechen

Überraschungseier mit rosa Blumen für Mädchen, feurige Grillwürstchen für echte Kerle, Legosteine im pinkfarbenen Ponyhof-Design, Spielzeug-Schönheitssalons, Kinderküchen, die in Prospekten nahezu immer von Mädchen präsentiert werden, während der ganze Abenteuerkram den Jungen vorbehalten bleibt.

Mädchen flechten Zöpfe und Jungen retten die Welt. Da macht sich in mir ein Protestgefühl breit, weil ich selbst auch Abenteuer erleben und die Welt retten möchte. Gerne mit lackierten Nägeln und geflochtenem Zopf.

Unser Umfeld ist ziemlich entspannt

Bislang bin ich in unserem direkten Umfeld mit überraschend wenig „das machen nur Mädchen/Jungs“ konfrontiert worden. Der Mann ist entspannt, wenn die Jungs lackierte Nägel möchten – und das ist interessanterweise längst nicht jeder Vater. Die Söhne wollen lange Haare und wir mögen das. Sie tragen, was ihnen gefällt.

Unserer Kita-Leitung und den Erziehern liegt Gleichbehandlung ebenfalls sehr am Herzen. Die allermeisten Kita-Eltern ticken ähnlich wie wir. Das Kind möchte rosafarbene Schuhe? Es bekommt sie, egal ob Junge oder Mädchen. Aber wir leben hier auch in einem eher alternativen Viertel.

Und die Einschläge der Kommentare kommen näher. Einer meiner Söhne muss von außen und insbesondere von älteren Menschen betrachtet immer ein Mädchen sein – klar, weil er lange Haare hat. Allerdings wurde uns als Babyeltern auch schon immer ein Mädchen untergejubelt, weil es gesellschaftlich offenbar der allergrößte Segen ist, das Zwei-Kind-Klischee mit beiden Geschlechtern zu erfüllen. Ich schrieb bereits darüber.

Elsa ist für alle da

„Jungs, die Elsa toll finden?“, fragte neulich ein Mädchen ungläubig. „Na und?“, entgegnete ich, „was schön ist, ist für alle da – und was genau das ist, entscheidet jeder selbst.“ Wie schön Elsa ist, sei jetzt mal dahingestellt. Ich hoffe, meine Söhne bleiben so frei und selbstbestimmt in dem, was ihnen gefällt und was sie tun möchten. Ich hoffe, wir lassen sie so frei.

Jungs emotional stark machen. Mädchen auch.

Und doch erlebe ich die genannten Unterschiede. Ohne ihren Ursprung mit letzter Gewissheit zu kennen. Doch die Autorin des Pendants zu meinem Jungsbuch, Ärztin und Mädchenmama Dr. Judith Bildhau, benennt sie in ihrem Artikel zum “Starke Mädchen”-Buch. Auch ich darf darin zu Wort kommen – ihr lest ihn hier.

Ich finde es wichtig mit den spezifischen Herausforderungen unserer Kinder umzugehen. Sie so sein zu lassen wie sie sind. Auf sie einzugehen, anstatt zu versuchen, ihnen Verhaltensweisen abzutrainieren und sie passend zu machen. Jungen und Mädchen auf die Arten stark zu machen, die sie für ein glückliches Leben brauchen.

Eine Welt der Polarität

Wir leben in einem Universum der Polarität. Es gibt Tag und Nacht, Himmel und Erde, Innen und Außen und eben auch männlich und weiblich. Es gibt körperliche und psychische Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Nichts davon ist besser oder schlechter, stärker oder schwächer, alles sind Facetten eines großen Ganzen – in diesem Falle des Menschseins. Und in jedem Menschen sind männliche und weibliche Anteile vorhanden.

Das ist es, was ich möchte: Meine Kinder so sehen und annehmen wie sie sind und ihnen einen Weg ebnen, der sie zu Erwachsenen mit einem starken Selbstwert heranwachsen lässt. Es geht nicht darum, wer Recht hat in der Mädchen-Jungen-Debatte. Es geht darum, auf kindliches Verhalten zu reagieren und zu verstehen versuchen, was dahinter steckt. Und darum geht es in meinem Buch “Starke Jungs brauchen entspannte Eltern”. Darum, und wie insbesondere Mamas gut für sich sorgen können, um so entspannt zu sein.

Alle Menschen sind gleich wertvoll

Ich bin gerne Jungsmama. Ich bin gerne Mama von starken Kindern. In einer Welt, in der wir leider immer noch dafür kämpfen müssen, dass alle Menschen gleich wertvoll sind.

PS: Ich finde es total wichtig, in dieser Debatte respektvoll und sachlich zu bleiben. Denn die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in unser aller Mitte.

 

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2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Stimmt schon. Es passiert manchmal ganz gezielt – rosa fürs Mädchen, blau für den Buben – manchmal nebenbei und unabsichtlich, ich gehe mit dem Mädchen anders um als mit dem Buben. Ich WILL sie nicht in ihre Rollen drängen, aber ich spüre auch, dass es ihnen selbst Halt gibt. “Ich bin” – ein Geschlecht. Ich will ihnen das auch nicht vorenthalten, wenn sie´s wollen. Ich bin ungeplant und spät Mama geworden und zweifle täglich. Mein Weltbild kommt ständig ins Wanken und ich bin schrecklich inkonsequent; ich mache Dinge, die ich eigentlich blöd finde.
    Meine Kinder finden mich eine tolle Mama. Und ich finde, sie sind tolle Kinder.
    Ich glaube, es gibt kein ´richtig´; richtig ist für jedes Kind jeden Tag immer wieder anders.
    https://beatekalmbach.home.blog/2020/02/10/kinderwunsche/

    1. Juli sagt:

      Danke für deine tolle und offene Antwort. Ja, auch meine Kinder lassen mit täglich die Welt hinterfragen. Das ist toll und unangenehm zugleich, ich kann dich da gut verstehen. Und vieles unterliegt unserer strengen Bewertung, doch bleibt die Frage, ob es tatsächlich blöd ist. :-)
      Ganz liebe Grüße

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